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Klaas Hinners
Aus aktuellem Anlass verweisen wir auf meinen Artikel in „Die unsichtbaren Veteranen“: Schon 2013 war für mich erkennbar, dass Afghanistan das Schicksal von Vietnam teilen wird und eine Laien- Spielschar von Politikern einen Einsatz an die Wand fährt (mit 20 Mrd.) Eine kritische Betrachtung der Parlamentsarmee Nachdem nun das Ende näher ist als der Anfang, hat mein vierzigjähriges Dienstjubiläum in der Bundeswehr 2013 zu einem Resümée eingeladen. Dieses möge nicht nur der Rückschau als Selbstzweck dienen, sondern ist fokussiert auf „lessons learnt“ – für die zukünftige Entwicklung der Bundeswehr – aus der Maulwurfsperspektive. 1. Mein Involvement Zur Chronologie sei vorausgeschickt, dass ich 7/73 für 15 Monate als Wehrpflichtiger einrückte und danach als mit nur geringem akademischen Ehrgeiz chronisch eher unterforderter Student der Land- und Forstwirtschaft ein bis zwei Wehrübungen pro Jahr in verschiedenen Panzergrenadier-Bataillonen und (bei der Heimat der Panzertruppe) in Munster ableistete. Diese Gastspiele schlossen das Laben an „Leckerbissen“ wie Einzelkämpfer-Lehrgang und Fallschirmspringen bei der British Army ein. Der Grund für die Pflege dieser Passion war neben Finanzproblemen als Student vor allem die Begeisterung an jeder Art von militärischem Schauspiel. Das Leben als Soldat war mir auf den Leib geschneidert, auch wenn das rigorose Prinzip Befehl und Gehorsam nicht immer mit dem Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung kompatibel war, mit dem Erklimmen höherer Ränge jedoch immer weniger zur Belastung wurde. Es gab jedoch nie einen Zweifel daran, dass das Durchsetzen im „Kalten Krieg“ gegen das „Empire of the Evil“ auch Selbstdisziplin erforderlich sein ließ, um diesen „Krieg“ zu gewinnen. Nachdem sich mit Gorbatschow abzeichnete, dass der „Kalte Krieg“ von der freien Welt gewonnen worden war, wurde 1986 der Abschied genommen. Der Triumph des Westens und die Befreiung der von der Sowjetunion unterjochten Völker sind bekannt, aktuell revanchistische Bestrebungen in Russland ebenso. Es wurde aber auch ohne Mob-Beorderung weiter im Geiste mitmarschiert. Inzwischen standen jedoch Familie und Brutpflege im Vordergrund- und nicht zuletzt auch die berufliche Entwicklung zur Finanzierung des Ganzen. Nach zwanzig Jahren in der forstlichen Entwicklungshilfe erfolgte 2002 ein fliegender Wechsel nach Brandenburg, wo inzwischen von mir seit 1992 parallel ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb aufgebaut worden war, der eine Größe erreicht hatte, die seinen Mann ernähren sollte. Dadurch kam es zu einer neuen Einplanung (bei der Einstellungsuntersuchung lagen als Triumph der Bürokratie die 18 Jahre alten ärztlichen Unterlagen zur Entlassungsuntersuchung wieder vor!) in der Bundeswehr: BW-Reserveoffiziere in den neuen Bundesländern rar. Diesmal wegen fortgeschrittenen Alters allerdings nur als Verbindungsoffizier im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) beim Landeskommandos Brandenburg, inklusive Unterstützung Einsatzführungskommando beim Einsatz in Sudan wegen meiner Ortskenntnisse dort. Dort sollte ein „Kontraktor“ kennengelernt werden. Dieses führte – nach Einarbeitung im Irak – zu einer Verwendung als Interim-Geschäftsführer bei den Operationen desselben in Afghanistan von 2005 bis 2007. Einzige Auftraggeber waren ISAF- Truppensteller. Die von ISAF privatisierten Aufgaben reichten von mobilen Klärwerken über Air-Conditioner bis zur Abfallentsorgung und Unterkünfte auf Containerbasis. Dieser Einsatz in Afghanistan wird der Schwerpunkt folgender Analyse sein. 2. Bundeswehr als THW in Afghanistan Am Beispiel Afghanistan soll gezeigt werden, wie weit sich die Bundeswehr von ihrer Zweckbestimmung als wirksames Instrument der Abwehr eines Angriffs nach Artikel 115 a GG in Verbindung mit Artikel 87 a GG entfernt hat. Der Umfang dieser Verirrung lässt besorgen, dass zehnjährige Bemühungen in Afghanistan erfolglos bleiben werden und (wie in Vietnam und Irak auch) das von ISAF unterstützte Regime und seine lebensfremde Konzeption in den nächsten Jahren vollends zusammenbrechen wird. Dabei bekommen die gewonnenen Erfahrungen neue Aktualität und Relevanz im Hinblick auf die Ereignisse in der Ukraine/Georgien/Moldau/Syrien. Es scheint offensichtlich, dass das im „Kalten Krieg“ aufgebaute Abschreckungspotenzial in einem Ausmaße verloren gegangen ist, das es ausgeschlossen erscheinen lässt, dass die freie Welt überhaupt noch Ernst genommen wird. Vom Kaukasus bis zur Ostsee entwickelt sich Konfliktpotenzial durch das geistige Korsett eines ehemaligen KGB-Oberst namens Putin, das mit unseren Vorstellungen von Freiheit und Selbstbestimmung nicht mehr kompatibel zu sein scheint. Nach 9/11 war es mit Überschreiten der Ablauflinien am 17.10.2001 im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ 110 CIA-, 350 US- bzw. 250 UK-Special Forces in Verbindung mit dem massiven Einsatz der US/UK Luftwaffen und der Unterstützung durch lokale Kräfte (Northern Alliance) gelungen, ein terroristisches Taliban-Regime in wenigen Wochen hinwegzufegen. Dieses sollte ohne Taschenkarten und ohne Rechtslehrer erfolgen, dafür mit fliegenden Gun Ships CH 130 (4 Gatling Guns mit je 6.000 Schuss pro Minute + 105 mm Kanone) und massiven Bombardierungen. Offensichtlich wurde mit ausgesprochener Brutalität/ Zielorientierung vorgegangen. Entsprechend dürften die Verluste Unbeteiligter die der Kombattanten überstiegen haben. Dabei vermochte die akkreditierte Presse den Ereignissen kaum zu folgen, zumal die einzelnen Verbände auf weitgehend unabhängig operierende Kampfgruppen in Truppstärke aufgeteilt waren, deren vordringlichste Aufgabe die Steuerung des Einsatzes der Luftwaffen (Forward Air Control) zur Unterstützung der Einsätze einer Vielzahl von Anti-Taliban Warlords im Rahmen der Northern Alliance war. Der Erfolg war so durchschlagend, dass von einem Triumph geredet werden kann: Innerhalb von drei Monaten waren die Taliban in fluchtartigen Absetzbewegungen unter massiven Verlusten verschwunden/ in einem „Last Stand“ am Flughafen von Kandahar aufgerieben. In völliger Unkenntnis der tatsächlichen Lage wurden dann von politischer Seite Bemühungen eingeleitet, neue staatliche Strukturen zu schaffen (Petersberg). Dabei standen offensichtlich Vorstellungen im Vordergrund, die an wohlmeinender Naivität kaum noch zu übertreffen sind. Es wurde völlig ignoriert: Afghanistan ist lediglich ein geographischer Begriff zwischen historisch russischen und britischen Einflusszonen, in denen staatliche Strukturen seit Jahrhunderten über die Paläste kaum hinausreichen. Ein Sammelsurium von Völkern besiedelt Afghanistan mit hunderten Dialektgruppen, die linguistisch so weit voneinander entfernt sind, dass nur eine Verständigung innerhalb von 25 Sprachgruppen möglich ist. Durch den Islam und das Fehlen einer Epoche der Aufklärung orientiert sich das gesellschaftliche Denken vor allem in der Provinz im Wesentlichen an Vorstellungen, die in Mitteleuropa vor dem Dreißigjährigen Krieg Mode gewesen sind. Wie im Irak kommt hinzu, dass sich sowohl Sunnis wie auch Shias auch auf afghanischen Boden gegenüberstehen. Durch willkürliche Grenzziehungen zu Kolonialzeiten wurden wesentliche Teile der in S/SO-Afghanistan dominierenden Puschtunen in den Tribal Trustlands als No-go-Area in Pakistan abgetrennt. Diese konnten dort ihr Unwesen treiben und ideale Aufmarschgebiete für Infiltrationen nach Afghanistan bereitstellen. Weit über den Taliban-Zirkel hinaus werden die Vorstellung der internationalen Besatzer als Gefährdung traditioneller Lebensformen empfunden. Als Beispiel mag die Frauenpolitik dienen, die völlig unvereinbar mit afghanischen Vorstellungen ist. Dabei ist den Afghanen durchaus nicht verborgen geblieben, dass ihnen hier Gesellschaftskonzepte aufgezwungen werden sollen, die in den letzten Jahrzehnten immer deutlicher werden lassen, dass diese z. B. vor dem Hintergrund von 1,3 Kindern pro Frau nicht nachhaltig/zukunftsfähig sind. Dementsprechend wird es auch unter gemäßigten Afghanen als Zumutung empfunden, diese nicht zukunftsfähigen Lebensformen sich überstülpen zu lassen. Kulturelle Inkompatibilität ist auch dadurch gegeben, dass demokratische Willensbildung weder mit der Rolle der Frau in der afghanischen Gesellschaft noch mit dem Prinzip der Führung durch die Älteren/ Familienoberhäupte vereinbar ist, abgesehen von praktischen Problemen, die dadurch entstehen, dass die Quote der Analphabeten bei 80 % liegt und so Wahlzettel in Form von Briefmarken-Alben mit dem Konterfei der Kandidaten anzukreuzen sind. Das inthronisierte Karzai-Regime zeichnete sich durch grenzenlose Korruption aus, finanziert neben der westlichen Entwicklungshilfe insbesondere vom – nie von der ISAF unterbundenen – Drogenanbau (90 % des weltweiten Bedarfs). Ein schönes Beispiel ist der Versuch der Anmietung eines Industriegeländes mitsamt Hallen durch unsere Firma. Diese sollte schließlich daran scheitern, dass der Komplex sich als die Tarnung für die Anstellung von 130 Karzai-Gefolgsleuten war, die (bis auf eine Sekretärin mit Telefon) als einzige Arbeitsleistung das Errichten einer Kontoverbindung zur monatlichen Überweisung des Lohnes erbrachte: Gebäude und Hallen waren leer! Der Expat/Contractor Community blieb es nicht verborgen, dass auch diese in den Drogenhandel involviert war. So überraschte es nicht, als Country Director und Director Middle East einer unserer Konkurrenzfirmen auf dem Wege von Kabul nach Kandahar geköpft aufgefunden wurden. Die Geschäftsführung in Düsseldorf stammte aus Mazedonien und war Dauer-Auftragnehmer der Bundeswehr seit 2003 im Bereich Life-Support Services mit opulenten Raten: Im Rahmen des einsatzbedingten Sofortbedarfes war diese 2003 ohne Ausschreibung bestallt worden. Trotz Sinkens des Vergütungs- Niveaus durch zunehmenden Wettbewerb – von der Bundeswehr im Gegensatz zu jährlichen Ausschreibungen der anderen Truppensteller nie wieder ausgeschrieben – sollte es bei der Bundeswehr auf dem Niveau des Mehrfachen des Ortsüblichen bleiben. Prolongierung alter Verträge war für den verantwortlichen S 4 offensichtlich einfacher. Angesichts einer Stehzeit der S-4-Stelleninhaber von nur vier Monaten, wäre eine europaweite Ausschreibung von einem S 4 auch gar nicht abschließbar gewesen. So überließ man diese lieber dem Nachfolger, der dann dasselbe tat. Damit konfrontiert, verwies BG (jetzt GM) Kneipp auf GG und die Verantwortung des 7000 Mann starken zuständigen Bundesamtes in Koblenz, das jedoch nach der Devise arbeitet: Wer nichts macht, kann auch nichts falsch machen. Der deutsche Steuerzahler blieb dabei auf der Strecke. Für die vertiefende Betrachtung der Durchführung des Auftrages in Afghanistan wird auf die Anlage 1 verwiesen. 3. Politik im Einsatz Es gab einmal eine Zeit, in der es – sinngemäß – hieß: After declaration of war operations should be left to the professionals – and eventually politicians only been told who has won. Mit verheerenden Folgen für die Schlagkraft der Truppe wird bei uns der umgekehrte Weg gewählt und die Bundeswehr von der Politik geführt, die sich dadurch auszeichnet, dass dortige Entscheidungsträger (soweit nicht als „alternativlos“ bereits abgedankt) eher durch offene Feindschaft (PDS), kritische Distanz (Grüne), Gleichgültigkeit (SPD) etc. und nur noch in Ausnahmefällen durch Begeisterung, Stolz und Unterstützung geprägt sind. Symptome zeigen sich wie folgt: Verluste (48 Bundeswehr-Angehörige in Afghanistan gefallen – nach bizarrer Diskussion der Wortwahl, weil man sich nicht im Krieg, sondern in einer Stabilisierungsmission wähnte – versus 486 Briten und 1.953 Amerikaner) werden nicht mehr akzeptiert als Teil des Selbstverständnisses und Grundlage für Pflichterfüllung (casualty shyness). Im Casino der Panzertruppen-Schule prangte bei meinem Offizier-Lehrgang noch das bekannte „The Germans to the Front“ aus dem Einsatz des 1. Ostasiatischen Infanterie-Regiments, das mit der berühmten „Hunnenrede“ von Wilhelm II nach China verabschiedet worden war (1901). Als nicht mehr zeitgemäß wurde dieses im Rahmen einer political correctness neudeutscher Form durch Nichts ersetzt. Hingegen fand sich im englischen Casino in Sennelager ein analoger Ölschinken bereits zwei Jahre nach „Battle for Goose Green“ (Falklands) als Zeichen ungebrochenem Spirit in der britischen Armee. Schulkommandeur PzTr Schule war zu dieser Zeit ein Brigadegeneral, der gar nicht bei der Bundeswehr gedient hatte, sondern aus der Polizei – und der SPD – kam. Inzwischen reicht beim Landeskommando Brandenburg bereits die Tätigkeit als Sekretärin im Innenministerium zur Ernennung zum Hauptmann d. R. bzw. eine Referentenstelle zur Sprungbeförderung vom HG d. R. zum OTL d. R. Diese Ernennungen wurden durchgeführt von einem auf B2 erhöhten Oberst-Stelleninhaber, dessen Vorgänger sich noch mit A16 begnügen mussten: alle Beglückten sind Mitglied einer „staatstragenden“ Partei, der SPD. Zu Zeiten der Wehrpflicht mag das Amt des Wehrbeauftragten des Dt. Bundestages noch eine Berechtigung gehabt haben. Kein ernstzunehmender Politiker ist jedoch auf den Gedanken gekommen, ein Pendant für andere Bundes-Einrichtungen (Zoll, Bundespolizei, …) dort zu installieren, der Wehrbeauftragte lebt jedoch auch nach Ableben der Wehrpflicht weiter. Das jahrelange – ergebnislose – Gegacker von Presse, Funk und Fernsehen (sowie Justiz!) über den von Oberst (jetzt BG) Klein befohlenen Luftangriff auf gestohlene Benzin-Tanker (bei Ausgangssperre) in Kunduz durch US Air Force, die derartige Angriffe ohne Beteiligung der Bundeswehr zu Tausenden geflogen hatte. Absurde „Rules of Engagement“ bis hin zur Taschenkarte für jeden Mannschaftsdienstgrad, die einen militärisch zielgerichteten Einsatz der Bundeswehr unterbanden und innerhalb der ISAF-Truppensteller so unterschiedlich waren, dass die Zusammenarbeit nur vereinzelt möglich war: Deutsche, Franzosen, Italiener, Türken waren nur formal in ISAF- Strukturen eingebunden. Groteske Höhepunkte derartiger Politik reichen von Völkermorden mit „Dutch Bat“ in Srebreniza 1995 bis zu UN-Wegducken in Rwanda 1992. Lehren wurden daraus keine gezogen (Syrien). Nur als Galionsfigur wird ISAF von einem – deutschen – 4-Sterne-General bei der NATO im HQ SHAPE „geführt“. Dieser ist zwar Vorgesetzter des – US-3-Sterne-Generals in Afghanistan, führt aber ein Schattendasein. Die Befehlskette wird von jedem Kontingent nach politischen Vorgaben des Truppenstellers unterbrochen und zum Spielball für militärische Laien/Politiker, für deren Betreuung allein bei der BW in MeS 3 OTL abgestellt waren. Mit der Ernennung einer Gynäkologin zum Verteidigungsminister stehen Bemühungen um Frauenförderung, Kinderbetreuung, geregelte Arbeitszeiten, PTBS und Wohnkomfort eher im Fokus als die Schlagkraft der Truppe. Entsprechend wird bei der Personalrekrutierung eine Klientel angesprochen, die sich mehr an den Segnungen des öffentlichen Dienstes orientiert als an der Bereitschaft zum aufopferungsvollen Dienen – schon gar nicht unter Einsatz des Lebens! Der Warrior-Instinkt bleibt auf der Strecke. Zurück bleiben Beamtenseelen. Material und Ausrüstung der BW haben inzwischen ein derartiges Zerfallsstadium erreicht, dass zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft eines PzGrenBtl. im Rahmen der „Very High Readyness Joint Task Force“ (VJTF) andere Kampfbataillone der Brigade kannibalisiert werden mussten. 4. Auftragstaktik Grundlage für die militärischen Triumphe des deutschen Heeres in den Anfangsjahren des 2. Weltkrieges war der von der Luftwaffe unterstützte Blitzkrieg. In 40 Jahren Begleitung der BW wurde dieses Zusammenwirken des Heeres mit der Luftwaffe nie „geübt“. Selbst bei der jährlichen Schau an der Panzertruppenschule per Cessna nur angedeutet. Verbindungskommandos Heer/Luftwaffe jetzt nur noch auf Ebene LW Truppenkommando, nicht mehr Geschwader. Die Komposition war damals getragen von der Entschlusskraft des örtlichen Führers, der Mobilität und Feuerkraft der Panzerwaffe, dem Zusammenspiel der vorhandenen Kräfte und geringer Einflussnahme der politischen Führung, nachdem die Ablauflinien überschritten waren. Politisches „Meddling“ sollte sich erst nach der Invasion der Sowjetunion so steigern, dass der Krieg zu einem Fiasko wurde. Die Wehrmacht wurde vollends zur Beute eines politischen Regimes mit verbrecherischem Konzept. Einzelheiten sind bekannt. Im Rahmen der unter Personalauswahl beschriebenen Vorgänge ist nicht mehr der entscheidungsfreudige Führer gefragt, sondern der funktionierende Bürokrat, ausgewiesen durch Computerkenntnisse, die einen Verteiler aufblähen und immer mehr Kräfte im Verwalten bindet: für die Stellenbesetzung eines Panzergrenadier-Batallions-Stabes inzwischen nach STAN 4 OTL/M Stellen (früher 2) und auf Kampf-Kompanie-Ebene 4 Offz. (früher 1 bis 2) vorgesehen. Damit einher geht, dass z. B. die Entscheidungskompetenz eines OTL auf die eines Feldwebels zurückgeführt wird (Dienstgrad-Inflation). Dabei ist die EDV mehr ein Fluch als ein Segen: Entscheidungen vor Ort nur noch nach Rücksprache mit einer kafkaesken Vielzahl von Stäben, die allein im militärischen Bereich vom Einsatzführungskommando über Heeresamt/Streitkräfteamt bis hin zum Einsatz-Unterstützungs-Kommando, Kommandos Teilzeitstreitkräfte, SKUKdo bis zu „Inspekteuren“ reichen und permanent „reformiert“ werden. Vollendete Paralyse dann in Bereichen, wo auch zivile Bundeswehr-Behörden einzubinden sind. Die Folgen z. B. im Beschaffungswesen sind aktuell gerade von NH 90 bis zu Puma durch den Blätterwald gerauscht. Als Trost bleibt die Aufgabe permanenter „Umstrukturierung“ als Lebensaufgabe. Obwohl bereits von de Gaulle in „Die Schneide des Schwertes“ als ein Grund für die Blitz-Niederlage Frankreichs 1940 erkannt, zeichnet sich der karrierebewusste Soldat inzwischen durch geschmeidiges Umgehen von Entscheidungen aus. Der kantige Charakter, der lieber das Falsche jetzt als das Richtige zu spät macht, ist ein Auslaufmodell. Bei der Bundeswehr reicht dagegen schon das Erreichen der – vorzeitigen – Pensionierung als vorbildliche Pflichterfüllung. Dieses scheint besonders die Generalität erfasst zu haben, zu der ohne politische Stromlinienförmigkeit Zugang gar nicht mehr zu finden ist. Auch der Umstand, dass 70 % des Dienstes in der Ausbildung/im Hörsaal verbracht werden, passt zum neuen Selbstverständnis. Praktische Erfahrungen im – nur – viermonatigen Einsatz werden eher als unzumutbare Belastung betrachtet, die mit mindestens zweijährigen „Ruhephasen“ belohnt wird, um nicht zum „Einsatz-Junkie“ zu werden. Ein Fall von verdeckter Arbeitslosigkeit!? Zu tun gibt es allenfalls im Bereich der „Transformation“ zu immer wieder neuen organisatorischen Strukturen. Illustriert sei die Lage durch folgende Anekdote aus Kabul: Als mob-beorderter Reservist mit Bundeswehr-Truppenausweis versehen, gelang es bei der Bundeswehr im Camp Warehouse nicht, den Stab zum Ausstellen eines ISAF-Ausweises als Contractor zur Sicherstellung des Zugangs zu unseren „Baustellen“ in ISAF-Liegenschaften zu bewegen. Dabei vergingen wegen Rücksprachen mit Dienststellen in Köln/Potsdam etc. Wochen. Mit dem Dilemma konfrontiert wurde mir schließlich innerhalb von fünf Minuten ein ISAF-Military Ausweis (mit Dienstgrad Captain) von der British Army ausgestellt, für die Dienstleistungen von uns auch erbracht wurden: Offensichtlich zeichnet sich die britische Armee durch einen pragmatischen Ansatz aus, der dadurch bedingt sein mag, dass sich seit dem 2. Weltkrieg diese mit ca. der Hälfte des Personals irgendwo in der Welt herumschlägt bzw. durch entschlossenes Auftreten Konflikte verhindert: So wurde ein erster Irak-Krieg 1961 nach Abzug der Briten aus Kuwait allein dadurch verhindert, dass innerhalb von 48 Stunden 5.000 britische Fallschirmspringer rückverlegt wurden und so die Iraker ohne Gipfel-Diplomatie von ihrer Invasion abließen. Entsprechend wurde hier eine verschworene, durch „regimental spirit“ zusammengeschweißte Gemeinschaft erhalten, gekennzeichnet durch Opferbereitschaft, Mut und Kameradschaft statt Vorschriften – und Obrigkeitshörigkeit. Ein Geist, der bis zum Abtreten der im II. Weltkrieg geformten Generäle auch noch in der Bundeswehr zu finden war. Ich erinnere die Maxime eines meiner Kommandeure: Wenn wir uns immer an die Vorschriften halten, läuft gar nichts mehr. Wenig hilfreich bei dem beschriebenen Szenario ist auch das bis zum Exzess betriebene „Rotationsprinzip“. Die Stehzeit in einem Dienstposten beträgt nur ca. 3 Jahre, so dass gewonnene Erfahrungen/Ausbildungen gar nicht genutzt werden, sondern nach Erreichen der Beherrschung der Aufgabe bereits die nächste Dienststellung wartet. Man wird den Eindruck nicht los, dass ein zu langer Friedensdienst sich fatal auf die Schlagkraft der Truppe auswirkt. Als Trost bleibt die Erkenntnis, dass auch in der US-Armee infolge einer dort etablierten Befehls-Taktik die Entscheidungskompetenzen örtlicher Führer außerhalb der Special Forces soweit beschnitten sind, dass der Abwurf einer US-Bombe in Afghanistan aus einem Bunker in Abu Dhabi autorisiert werden muss. 5. Privatisierung Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Fehlentwicklungen erscheint es zumindest verwegen anzunehmen, im Rahmen der bestehenden Denkmuster den Herausforderungen der Zukunft in asymmetrischen oder konventionellen Kriegen gewappnet zu sein. Möglicherweise bietet der private Sektor Alternativen. Im Bereich Nachschub, Instandsetzung, Betrieb Liegenschaften, Catering, Versorgung, Transport hat die Bundeswehr bereits die Fähigkeit eingebüsst, diese Dienste selber zu stellen. Selbst Verwundete können von der BW in Afghanistan nachts nicht mehr ausgeflogen werden! Dabei waren die bisherigen Schein-Privatisierungsbemühungen durchaus noch halbherziger Natur in Form von staatseigenen Betrieben wie „Fuhrpark-Service“, „Kleiderkammer“ und unterlassenen Ausschreibungen – mit desaströsen Folgen für Wettbewerbsfähigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit. Auslagerungen an private Dienstleister zeichnen sich – wie berichtet – dadurch aus, dass dazu notwendige Ausschreibungen wegen bürokratischer Exzesse i. V. m. administrativer Inertia gar nicht erst durchgeführt werden mit deprimierenden Folgen für den Steuerzahler. Es entsteht der Eindruck, dass wiederum von politischer Seite protegierte Stelleninhaber/Besitzstandswahrer aus alten Strukturen weiter in verdeckter Arbeitslosigkeit verharren und so wirkliche Reformen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit unterlaufen werden. Dazu stellt sich die Frage, ob weitere Kernaufgaben des Militärs für eine Privatisierung geeignet sind. Dabei ist davon auszugehen, dass das Zeitalter der Bürgerarmeen mit Abschaffung der Wehrpflicht in fast allen NATO-Streitkräften nach fast 200 Jahren ohnehin als ausgelaufen betrachtet werden kann und sich das Personal als Arbeitnehmer für Lohn und Sozialleistungen und nicht aus patriotischer Begeisterung zur Verfügung stellt (zumal 6 % der Bundeswehr-Neuzugänge inzwischen Moslems). Dabei wurden mit der Rekrutierung von Ausländern durchaus positive Erfahrungen gesammelt. Zu nennen sind hier insbesondere die Fremdenlegion und die Gurkas, seit fast 200 Jahren. In beiden Fällen werden diese „Söldner“ in vorhandene Gehalts-Strukturen analog zu nationalen Verbänden eingebunden, Offiziere jedoch in den meisten Fällen durch Landeskinder gestellt. Nach ersten Erfahrungen in Afrika (Executive Outcomes) und Jugoslawien hat sich darüber hinaus eine Vielzahl von PMC (Private Military Companies) gebildet, die z. B. im Irak nach den Amerikanern mit in der Spitze 36.000 Kräften das zweitstärkste Kontingent stellten. Analoges ist auch aus Afghanistan zu berichten. In beiden Fällen zeigte sich höhere Effizienz allein dadurch, dass diese an Einsatzbeschränkungen der Parlamentsarmeen nicht gebunden sind und so sich eine kostengünstige Alternative zu Konfliktlösungen insbesondere im asymmetrischen Bereich entwickelt hat. Dabei sind diese teilweise noch in traditionelle Strukturen/Befehlsketten eingebunden (Sponsored Reserve in UK), teilweise mit eigenen Verbänden bereits nur noch an vorhandene Stäbe angehängt. Nachdem in USA bereits 21 % des Verteidigungshaushaltes an derartige Contractors geht, wird sich auch die Bundeswehr dieser marktwirtschaftlichen Lösung nicht ewig verweigern können. Unbemerkt von der Öffentlichkeit ist bereits ein Prozess in diese Richtung dadurch vollendet worden, dass sich die Rekrutierung des Nachwuchses immer weiter in die neuen Bundesländer verschiebt: Inzwischen stammen z. B. 60 % der Offiziersanwärter aus den neuen Bundesländern. Dort wird offensichtlich eine Laufbahn in den Streitkräften noch als attraktiv empfunden. Im Westen wird dieser „Dienst“ angesichts eher egomanischer Lebenskonzepte allenfalls als Zumutung empfunden, soweit überhaupt noch als Berufung wahrgenommen. Ein weiter Weg wurde zurückgelegt aus einer Zeit, in der es noch als ehrenvoll galt, für das Vaterland zu sterben. Mit Blick auf die Tatsache, dass in der aktuellen „Flüchtlingskrise“ junge Männer das Gros des Zuganges stellen, drängt sich die Idee auf, diese im Rahmen der Bundeswehr so auszubilden, dass diese in ihrer arabischen Heimat einen militärischen Beitrag zur Stabilisierung der Lage liefern können (mit dt. Offizieren á la General Linan v. Sanders in der Türkei im 1. Weltkrieg). 6. Fazit Nach fast 60 Jahren Friedensdienst stellt sich die Frage, ob die Bundeswehr, die möglicherweise kämpfen kann, mit dem vorhandenen Personalbestand und politischer Führung überhaupt noch kämpfen will. Aktuelle Ereignisse in Georgien/Ukraine/ Moldau/Syrien lassen vermuten, dass daran zumindest in Russland Zweifel bestehen und damit Abenteuer initiiert werden, die auch vor dem Baltikum nicht Halt machen könnten. Nachdem durch Wettrüsten der „Kalte Krieg“ noch siegreich für die freie Welt mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Reiches endete, könnte – wie vor dem 2. Weltkrieg – ein KGB-Agenten in Präsidentenamt die Bereitschaft des Westens zum Kampf so einschätzen, dass der Friede in Europa nicht länger als garantiert eingeschätzt werden kann. Parallelen zur Beschwichtigungspolitik vor Ausbruch des 2. Weltkrieges drängen sich auf. Das Schicksal Syriens mit dem Entstehen eines islamischen Kalifates namens IS bestätigt den Trend zur Anwendung von nur noch „Soft Power“ in Form endloser diplomatischer Bemühungen ohne Entschluss. Aktuell als politische Grundausrichtung auch in der Krise um Griechenland erkennbar. Primat der Politik scheint nur noch zu sein, Probleme bis zur nächsten Wahl zuzukleistern und schlimmstenfalls dem Nachfolger den Scherbenhaufen zu überlassen, im Falle strategischer Fehler der nächsten Generation. Nach alledem kann ich abschließend nur feststellen, dass mir in Form eines Parallellebens die Bundeswehr im Vergleich zu meinen ungedienten Zeitgenossen mehr gegeben hat, als diese an Zeit und Energie mir genommen hat, auch weil das ultimative Opfer mir versagt/erspart geblieben ist. Es bleibt die Hoffnung, dass sich auch in der nächsten Generation noch Männer finden, die nach dem Sieg im kalten Krieg für die nächsten Herausforderungen in der Geschichte nicht nur bereitstehen, sondern ihren Posten auch im Krieg beziehen können – mit allen Konsequenzen und nicht nur noch bereitstehen, um - tagsüber - Verletzte in die Notaufnahme zu fliegen oder Sandsäcke zu werfen – und damit die glaubhafte Abschreckung produzieren, die diesen Krieg verhindern möge. Vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse im Nahen Osten sollte dabei berücksichtigt werden, dass ein Appeasement in den II. Weltkrieg geführt hat und asymmetrische Bedrohungen durch Konferenzen allein nicht zu besiegen sind. Die aktuellen Ereignisse (bzw. Nicht-Ereignisse) in Köln (und Stockholm) lassen nicht mehr ausschließen, dass im Rahmen der Umerziehung mit Hilfe von Koedukationen und Emanzipation anthropogene Konstanten soweit wegerzogen wurden, dass Männer im engeren Sinne in ausreichendem Umfange kaum noch zu finden sind und auch zu Hause staatliche Gewalt durch Beißhemmungen ersetzt wurden. Hinners OTL d. R.
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